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Digitalisierung von Unternehmen: Hochschule bildet "Digital Leader" aus

 

Hochschule Osnabrück, Campus Lingen (Foto: Conny Reinhard)Arbeiten 4.0, Internet of Things, Industrie 4.0: Die Digitalisierung wirkt auf viele Unternehmen komplex und nicht greifbar. Es fehlt die Zeit und ausgebildetes Personal, sich mit der sogenannten "Digitalen Transformation" auseinanderzusetzen. Darüber hinaus wissen viele Unternehmen nicht, wie sie im Tagesgeschäft den digitalen Wandel vollziehen sollen. Der berufsbegleitende Weiterbildungsstudiengang "Corporate Communications" der Hochschule Osnabrück am Campus Lingen, der im Wintersemester startet, soll Führungskräften entsprechende Fähigkeiten vermitteln. Der Studiengang richtet sich an Berufstätige in Unternehmen, Agenturen und anderen Organisationen und beinhaltet das Studienmodul "Digital Leadership", das Digitalisierung als Themenschwerpunkt setzt.

 

 

Ein Interview mit den Professoren Susanne Knorre und Wolfgang Arens-Fischer von der Hochschule Osnabrück.

 

 

Was genau verbirgt sich hinter dem Modul "Digital Leadership"?

 

Knorre: Digital Leadership ist kurz gesprochen das „Führen in Zeiten der Digitalisierung“. Das Umfeld der Unternehmen verändert sich zunehmend, man muss sich von alten Strukturen verabschieden und neue Impulse in den Geschäftsalltag mit aufnehmen. Dabei spielen sich diese Veränderungen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens ab. Hierauf müssen Führungskräfte vorbereitet werden, um handlungsfähig zu bleiben. Kommunikation spielt hierbei eine entscheidende Rolle.

 

Arens-Fischer: Lassen Sie mich das etwas weiter ausführen. Wenn sich anlässlich bestimmter wirtschaftlicher oder technologischer Entwicklungen wie der zunehmenden Digitalisierung Veränderungen in den Unternehmen erahnen lassen, müssen sich die betrieblichen Strukturen, Prozesse, Führungssysteme und auch das Personal mit verändern und ihr Arbeitsfeld auf Veränderungsbedürftigkeit und Veränderungsfähigkeit prüfen. Das Modul soll dabei helfen, die Formen der Digitalisierung zu erkennen und die Wirkungen auf den Betrieb zu analysieren. Hier hilft auch ein enger Austausch in der Studiengruppe, die dieses Modul hört. Letztlich sitzen dort in berufsbegleitenden wie berufsintegrierenden Programmen Experten aus der Praxis zusammen, die sich im Rahmen eines Studiums gemeinsam in einen Lernprozess begeben. Warum sollten sich diese nicht mit Unterstützung von uns Lehrenden zu solchen Fragen austauschen und sich gegenseitig beraten, voneinander lernen und zu ganz innovativen Themen gemeinsam Lösungsansätze entwickeln, die zum einen den Betrieb, aber letztlich auch immer den Menschen an sich betreffen?

 

Was unterscheidet ein Modul wie „Digital Leadership“ von anderen Modulen in Studiengängen, die auf Unternehmensführung und Management ausgelegt sind? Bedarf es da wirklich einer Spezialisierung?


Arens-Fischer: Nein, einer Fokussierung im Sinne einer Ausschließlichkeit bedarf es aus unserer Sicht nicht. Deshalb haben wir ja auch nicht einen gesamten Studiengang danach benannt. Uns geht es vielmehr darum, dass wir bei der Analyse von Veränderungen in Unternehmen und den Führungssystemen aktuelle und nachhaltig prägende Entwicklungen wie die Digitalisierung im Sinne einer Vertiefung mit bedenken, denn das bewegt die Betriebe und ihre Mitglieder. Es stehen ganz konkrete Fragen im Raum: Was heißt Digitalisierung nun für mich? Inwiefern betrifft sie meinen Arbeitsplatz? Wie stelle ich mich auf zunehmende Digitalisierung ein, wie stimme ich mein Team auf Veränderungen ein, ohne dass sich alle bedroht fühlen? Wie gehe ich mit Unsicherheit um? Unsere Aufgabe ist es nicht, diese Fragen für jeden zu beantworten, sondern unseren Studierenden zu helfen, die Antworten auf all diese Fragen selbst zu finden.

 

Knorre: Meiner Ansicht nach ist ein solch spezielles Modul ein elementarer Baustein, um die Digitalisierung erfolgreich nach vorne zu bringen. Sehen Sie, das Thema „Digitalisierung“ erscheint doch vielen Menschen zu diffus. Hier werden mangels Informationen mehr Bauchentscheidungen getroffen, ohne diese wirklich rational zu begründen. Dabei ist das Thema hochemotional. Und darauf müssen Führungskräfte vorbereitet werden, damit sie sich darauf einlassen können; jenseits diverser Bilanzen und Kennzahlen.


Wie ist Ihre persönliche Wahrnehmung? Werden von Seiten der Wirtschaft Bedarfe an Sie gerichtet, aufgrund der Digitalisierung die Ausbildungs- bzw. die Studieninhalte anzupassen?


Arens-Fischer: Studieninhalte auf Spezialwunsch anzupassen, geht schlichtweg nicht. Dafür haben wir zu viele Kooperationspartner und jedes Unternehmen ist auf seine Weise einzigartig. Außerdem sind und müssen Hochschulen unabhängig sein. Aufgabe der Hochschulen ist es aber, in Lehre und Forschung Entwicklungen zu erkennen, zu analysieren und vielfältig reflektierte Gestaltungsansätze zu erarbeiten und der Berufspraxis anzubieten. Dabei binden wir sowohl die Studierenden als auch die Betriebe sehr gerne ein, um auch die Praxisexpertise, die in den Unternehmen vorhanden ist, einzubeziehen. Das ist wertvoll für alle Beteiligten. Und da kommt natürlich auch die Digitalisierung auf den Tisch, denn das ist kein triviales, leicht umzusetzendes Thema.


Knorre: Erst einmal sind die Hochschulen ja frei was Forschung und Lehre angeht. Natürlich nehmen wir auch als Hochschule am Marktgeschehen, dem Bildungsmarkt, teil. Also passen wir unser Angebot an die Bedarfe der Gesellschaft an. Die Studiengänge entstehen allerdings nicht aufgrund irgendwelcher Gesuche der Wirtschaft, die an uns herangetragen werden. Wir beobachten Entwicklungen und schauen dann, wie wir mit unserem Bildungsangebot zum Meistern der Herausforderung beitragen können.


Es scheint, dass die junge Generation, die seit einiger Zeit in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt startet, mit der Nutzung digitaler Technologien überhaupt kein Problem hat. Wozu benötigen Unternehmen dann noch spezielle Kompetenzen, die in einem Modul wie „Digital Leadership“ vermittelt werden?


Knorre: Ein Smartphone benutzen zu können, bedeutet nicht gleichzeitig die Fähigkeiten zu besitzen, die Komplexität der Digitalisierung in ihrer Gänze zu erfassen und entsprechend handlungsfähig zu sein. Wer glaubt, die Personaldecke mit möglichst vielen jungen Menschen zu besetzen, um die Digitalisierung meistern zu können, ist auf dem Holzweg. Digital Leadership bedeutet, die Digitalisierung als relevante Komponente der Unternehmensstrategie zu verstehen. Es ist viel wichtiger, das große Ganze mit all seinen Risiken und Chancen zu sehen, anstatt Mitarbeiter lediglich in sinnlose Computerkurse zu stecken und dann zu glauben, mit dem Bedienen von elektronischen Geräten gelingt die digitale Transformation problemlos.


Arens-Fischer: Anzunehmen, dass die junge Generation das kann, weil sie mit dem Internet aufgewachsen ist, ist naiv. Die Digitalisierung wird Geschäftsfelder hinsichtlich ihrer Produkte und Dienstleistungen aber auch in ihren Strukturen und Prozessen von Grund auf transformieren. Digital Leadership bedeutet, diese Veränderungen bewerten und die Geschäftsfelder entsprechend ausrichten und gestalten zu können – und darüber hinaus, die Menschen zu einem aktiven Mitgestalten zu begeistern. Dabei ist die Kenntnis zu digitalen Technologien sicher hilfreich, aber genauso sicher nicht ausreichend.

 

Haben Sie Wünsche an die Politik?

 

Arens-Fischer: Die Politik hat die wesentlichen Strömungen doch erkannt und geht diese Herausforderung an. Wichtig ist es, es auf allen Ebenen zu tun – also sowohl auf der Seite der technischen Infrastruktur als auch in der Bildung in den unterschiedlichen Schulformen. Wir sollten vielleicht nochmal stärker einen Blick darauf werfen, wie wir Menschen dabei helfen können, mit der Veränderung ihrer Arbeitsplätze umgehen zu können und wie Bildung und Forschung sie dabei unterstützen können.


Knorre: Dazu möchte ich noch etwas ergänzen. Die Digitalisierung kann nur gelingen, wenn auch die entsprechenden Infrastrukturen vorliegen. Ohne Breitbandausbau, keine digitale Transformation. Aber hierzu ist die Diskussion ja schon in vollem Gange. Ich würde mir wünschen, dass sich unsere Gesetze praxisnäher und vor allem schneller an die technischen und organisationsverändernden Gegebenheiten anpassen. Da kann meines Erachtens noch viel mehr Tempo an den Tag gelegt werden.


Glauben Sie, dass in der Digitalisierungs-Debatte der Mensch genügend Beachtung findet?

 

Arens-Fischer: Dass dem Menschen in der Digitalisierung eine wichtige Rolle zukommt, da sind sich, glaube ich, alle einig. Aber wir sprechen hier ja über Veränderungen, die nicht klar und eindeutig prognostizierbar, sondern eben mit vielen Unsicherheiten verbunden sind. Der Umgang mit Unsicherheit ist immer schwierig und schürt schnell Ängste. Deshalb ist es ja so wichtig, die Digitalisierung mit in die Hochschullehre aufzunehmen und das nicht nur wegen der Gestaltung zukünftiger Geschäftsfelder, sondern eben auch, um die Kommunikation rund um dieses Thema sachlich, transparent und zielgruppengerecht führen zu können.


Knorre: Das ist genau der Punkt. In der alltäglichen Diskussion höre ich kaum konstruktive Vorschläge, wie die Menschen in unserer Gesellschaft mitgenommen werden können. Daher sind wir zuversichtlich, dass unsere künftigen Absolventen wichtige Funktionen in Unternehmen haben werden, um diese gesellschaftlich bedeutsame Aufgabe zu übernehmen.

 

Das Interview führte Alexander Bose von der it.emsland. (Foto: Conny Reinhard)

 

 

Hintergrundinformationen:

Die Hochschule Osnabrück am Campus Lingen ist seit vielen Jahren Kooperations- und Projektpartnerin der it.emsland. Bis 2015 stellten beide Akteure das vom Bundeswirtschaftsministerium (kurz: BMWi) initiierte Förderprojekt "eBusiness-Lotse Emsland", um kleinen und mittleren Unternehmen die Potenziale der Digitalisierung näherzubringen. Aktuell arbeiten beide Projektpartner gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO aus Stuttgart im BMWi-Projekt "Mittelstand 4.0-Agentur Cloud" zusammen. Ihr Auftrag: Kleine und mittlere Unternehmen über die Einsatzmöglichkeiten, die Chancen und den Nutzen von Cloud Computing zu informieren.